Wer auf der Bundesstrasse 317 zwischen Todtnau und Feldberg unterwegs war, rieb sich auch in der Vergangenheit schon verdutzt die Augen, wenn am Gegenhang des Wiesentals ein Rudel Gämsen auftauchte. Dort, beim sogenannten Engelhof, finden sich seit langem regelmässig Gamsgeissen mit ihrem Nachwuchs ein. Eine kleine Strassenbucht lud die motorisierten Passanten zu einem Zwischenstopp ein, während Spaziergänger und Radfahrer auf dem Wasserfallsteig-Wanderweg gerne auf der Bank «Am Gamsblick» verweilten, um die Tiere zu beobachten.
Gams-Pfad entlang der Wiese
Jetzt lädt ein neuer Info-Pfad zwischen den Fahler Wasserfällen und Brandenberg zum Kennenlernen der Schwarzwald-Gams ein. Initiiert von der örtlichen Jägerschaft und unterstützt vom Biosphärengebiet Schwarzwald sowie den regionalen Tourismusverbänden wurden auf einer Strecke von etwa drei Kilometern entlang des Wasserfallsteigs Informationstafeln aufgestellt, die viel Wissenswertes über diese tagaktive Wildtierart vermitteln.
Gams-Steckbrief
Gämsen (oder in der Jägersprache auch «Gamsen») gehören zu den wiederkäuenden Paarhufern, und hier zur Familie der Hornträger (Boviden). Sowohl die Gamsgeiss als auch der Gamsbock tragen Hörner, die in der Jägersprache Krucken heissen und deren jährlicher Zuwachs an Ringen zur Altersbestimmung herangezogen werden. Während Gamsböcke die meiste Zeit des Jahres Einzelgänger sind, stehen die Geissen und ihr Nachwuchs oft in Rudeln mit wechselnder Besetzung zusammen.
Eine Geiss setzt in der Regel pro Jahr zwischen Mai und Juni ein Kitz, das im Alter von etwa drei Jahren geschlechtsreif wird. Gämsen sind hervorragende Kletterer und bevorzugen steiles, felsiges Gelände als Lebensraum, weswegen sie besonders in den Alpen heimisch sind, brauchen aber auch offene Flächen und Waldbereiche. Sie haben einen ausgeprägten Geruchssinn und besonders scharfe Augen, was ihnen erlaubt, Gefahren auf grosse Entfernung zu erkennen.
«Neigschmeckt» oder «iheimsch»?
Experten gehen davon aus, dass Gamswild im Schwarzwald auch in früheren Jahrhunderten heimisch war, aber dann ausgerottet wurde. Eine Neuansiedlung gelang Ende der 1930er Jahre Damals wurden gut zwei Dutzend aus Österreich stammende Tiere ausgewildert, die sich fortan vermehrten und die Gebiete rund um Feldberg, Belchen und Blauen im Südschwarzwald besiedelten. Allerdings kommt es auch jetzt immer wieder zu vereinzelten Zuwanderungen aus dem Alpenraum.
Heute gibt es in Baden-Württemberg elf kleine Gamsvorkommen mit insgesamt ca. 1500 bis 2000 Tieren. Die Jagdstrecke ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen und beträgt etwa 600 Stück pro Jahr, was für einen Anstieg der Population spricht.
Staatsfeind oder Sympathieträgerin?
Schon bald nach seiner (Wieder)-Ansiedelung hatte das Gamswild im Schwarzwald nicht nur Freunde. Gämsen sind Pflanzenfresser und benötigen im Erwachsenenalter rund drei Kilo pflanzliche Nahrung pro Tag. Der Speisezettel umfasst frische Gräser, Kräuter, Blüten, aber auch Triebe und Knospen von Bäumen, was in einzelnen Gebieten zum Verbiss an den Hauptbaumarten führen kann. Anhand der Schäden an jungen Bäumchen legen Förster und Jäger einen Abschussplan fest, der regelt wieviel Stück Gamswild pro Jahr in dem jeweiligen Gebiet erlegt werden muss, um den Bestand zu regulieren und den Schaden zu begrenzen.
Allerdings entstehen diese sogenannten Verbiss-Schäden nicht allein aufgrund der Bestandsdichte, sondern auch wegen häufiger Störungen durch Menschen. Mountainbiker, Schneeschuhwanderer, Geocacher, Pilzsammler – sie alle dringen als ungebetene Gäste in die Einstandsgebiete der Gämsen vor. Eine Flucht des Wildes, vor allem im Winter bei hohen Schneelagen, führt zu einem erhöhten Energiebedarf und in der Folge zu vermehrten Schäden an Weisstanne und Co. Für ein gutes Miteinander von Mensch und Gams ist Information unerlässlich. Genau dafür sorgt jetzt der Gams-Pfad.