Schwarzwald aktuell
Foto: Staatsarchiv Freiburg
Trotz der klirrenden Kälte pilgern über 10.000 Besucher nach Hinterzarten, um sich das Spektakel anzusehen.
Trotz der klirrenden Kälte pilgern über 10.000 Besucher nach Hinterzarten, um sich das Spektakel anzusehen.
Foto: Staatsarchiv Freiburg

G’schichtle 84: Tollkühne Piloten im Eiskanal

17. Dezember 2020

Sie war ebenso legendär wie gefürchtet: Im Winter 1954 heizten die tollkühnsten Bob-Piloten über den steilsten und schnellsten Eiskanal Deutschlands – die Kesslerbahn in Hinterzarten

Klar, die Schwarzwaldgemeinde ist heutzutage vor allem wegen seines Skispringens bekannt. Doch was heute kaum noch jemand weiß: Im Winter 1953/1954 drehte sich alles um den Bobsport.  Hinterzarten war damals Austragungsort der ersten südwestdeutschen Zweier-Bob-Meisterschaften.

Die Idee hier eine Bobbahn zu bauen, war mehr oder weniger eine Bierlaune einer Stammtischrunde des Adlers. Dort hatte man einen Blick in Richtung Triberg geworfen, das damals das Zentrum des Bobsports im Schwarzwald galt. Von !910 bis in die 60er-Jahre des letzten Jahrhunderts gab es dort eine Bobbahn, auf der u.a. die deutschen Meisterschaften im Zweier- und Viererbob stattfanden.

Top-Event im Schwarzwald

Doch zurück in den Hochschwarzwald. Am 23. Oktober 1953 wird der „Bob- und Schlitten-Club Hinterzarten“ gegründet. Bereits einen Monat später beginnen die Clubmitglieder mit den Plänen zum Bau der Eisbahn. Dazu holt man sich Experten aus St. Moritz und Bayern, die die Bahn abstecken: 1000 Meter lang mit neun Steilkurven und einem Gefälle bis zu 18 Prozent. Es sollte eine Rennstrecke werden, die wegen ihrer engen Kurven und steilen Lage extrem gefährlich und schwer zu fahren sein war.

Zahlreiche Helfer waren mit Pickel und Schaufeln angerückt, um die Bahn aus Schnee und Wasser zu errichten. Und da auch noch „Väterchen Frost“ ein Einsehen hatte und im richtigen Moment zuschlug, wurde die Bahn tatsächlich fertig.

Der 31. Januar 1954, der Tag des Rennens: Das Thermometer zeigt minus 20 Grad. Der Eiskanal ist spiegelglatt und extrem hart. Trotz der klirrenden Kälte pilgern über 10.000 Besucher nach Hinterzarten, um sich das Spektakel anzusehen. Auch das Medienecho ist enorm: Rundfunk, Tageszeitung, ja sogar das Fernsehen berichtet vom Kesslerhang.  Am Renntag ist es so kalt, „dass der Schnaps fast eingefroren ist“, witzele Josef Steiert, ehemaliger Revierförster von Hinterzarten, noch viele Jahres später.  Auch die Technik streikt: Die Lautsprecheranlage fällt der Kälte zum Opfer.

Die Zuschauer lassen sich durch die eisigen Temperaturen nicht abschrecken. Insbesondere n den Steilkurven drängen sich die Zuschauermassen. Jeder will so dicht wie möglich dran sein, wenn die tollkühnen Piloten im Höllentempo um die Kurven fetzen. Das Fahrerfeld ist mit zwölf Startern prominent besetzt: Olympiasieger Ostler, die Fahrer Nieberl und Rösch, aus der Schweiz ist Weltmeister Kappus am Start.

Plötzlich hört man panische Schreie. Menschen springen zur Seite. Anderl Ostler, der Olympiasieger, hat die Kontrolle über seinen Bob verloren. Die Kufen schleudern über das Eis, das schwere Gerät fliegt aus der Kurve, katapultiert sich in die Luft – direkt auf einen neunjährigen Jungen zu. Die Kufe trifft den Schüler direkt am Kopf. Der Jungen wird lebensgefährlich verletzt, überlebt zum Glück letztlich das Unglück. Später stellt sich heraus, dass der Unfall auch den Bruch der Lenkung während der Fahrt zurückzuführen war. Das Rennen gewinnt der Schweizer Bob mit dem Duo Angst/Hug. Die Lokalmatadoren Baumstark/Hercher aus Hinterzarten fuhren als Dritte ebenfalls noch aufs Treppchen.

Trotz der großartigen Resonanz der Bevölkerung auf die Veranstaltung, sollte es bei diesem einen Rennen bleiben. Später baute der Club im Adlerwald eine Betonbahn, auf der noch kleinere Wettkämpfe gefahren wurden. Allerdings waren die Winter einfach zu mild, um die Bahn zu betreiben. Ende 1957 wurde die sie stillgelegt, und das glorreiche Kapitel des Bob- und Schlittenclubs und der schnellsten Bobbahn Deutschlands geriet in Vergessenheit.

Grundlage für diese Geschichte war der hervorragende Beitrag von Birgit-Cathrin Duval auf der Seite www.hochschwarzwald.de dort gibt es auch noch einige weitere hochinteressante Bilder von dem damaligen Ereignis.

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